Wind & …Wölfe!!!

Die Vorbereitungen zum Ultralauf 9.0 liefen ja wegen der coronabedingten Verschiebung nun schon fast zwei Jahre und auch Anfang 2022 stand es noch nicht mit Sicherheit fest, ob wir an den Start gehen konnten. 2021 musste ausfallen, da zu diesem Zeitpunkt keine touristischen Übernachtungen möglich waren, was sich aber Ende Januar 2022 änderte. Seit den Seeumrundungen bei RunTheLake war ich keine längere Strecke gelaufen, als die knappen 19 km mit dem Schwesterchen an Silvester – klar hält man beim Ultralauf durch das niedrigere Tempo und die Erholungsphasen an den VPs länger durch aber würde das auch für eine ganze Etappe reichen? Das Ziel waren 42 km an jedem der drei Tage, wenn mehr gehen sollte, wäre das cool, wenn es weniger werden würde, wäre es nicht schlimm gewesen…

1. Etappe: Durch die Anreise am Vortag mussten wir nich ganz so früh raus, wie beim Ultralauf 8.0. Start wie immer: pünktlich 7:00 Uhr vor dem Hotel. Alle Helfer hatten schon vorher routiniert sämtliche Vorbereitungen getroffen und auch das E.INFRA WLAN-Fahrzeug war bereit für die erste Etappe. Gute 63 km standen auf dem Plan und es ging los von Görlitz in Richtung Rothenburg bei malerischem Sonnenaufgang über der Neißeaue. Neu diesmal die Fahrrad-Guides. Thomas & Hartmut konnten verletzungsbedingt nicht laufen und saßen daher auf Mountainbikes. Eins immer vorn, das andere Bike am Ende der Gruppe. Wie sich im weiteren Verlauf herausstellen sollte, eine ziemlich coole Neuerung. Vorne konnte das Tempo gebremst werden, hinten ging keiner verloren und beide Biker konnten schnell die Positionen wechseln, um sich abzustimmen.
Natürlich sind wir die ersten Kilometer viel zu schnell angegangen – alle waren wohl froh, dass es endlich wieder losgehen konnte. 😁 Die VPs lagen auf dieser Etappe ca. 10 km auseinander aber die Strecke war flach und daher war das auch OK. In Rothenburg hatten wir knapp die Hälfte geschafft. Bis dahin hatten wir strahlenden Sonnenschein bei 6 °C – perfekt also. Der VP4 sollte bei ca. 40 km sein und trotz des hohen Anfangstempos machte ich mir keine Sorgen, dort schon aussteigen zu müssen. Jens ging es nicht so gut – eine Erkältung bahnte sich an – für ihn war am VP4 vernunftbedingt Schluss, schließlich war er unser Guide für die Etappe 3. Der Himmel zog sich dann etwas zu, es blieb aber trocken und auch am VP5 bei guten 47 km entschied ich mich fürs Weiterlaufen. Viel Asphalt gab es auf dieser Strecke – eigentlich nicht so schlimm, aber so direkt an der linken weißen Linie bei PKW-Gegenverkehr außerorts war es hin und wieder etwas nervenaufreibend.
Unterwegs witzelten wir, dass wir ja schließlich zum Kaffee wieder im Hotel sein wollten und stellten dann am letzten VP verwundert fest, dass das wohl auch tatsächlich so eintreten wird. Also die erste Etappe komplettiert und ca. 15:30 Uhr wieder am Hotel in Görlitz angekommen. Genügend Zeit also, noch vor dem Abendessen einen Mütze voll Schlaf zu nehmen und schon mal ein bisschen zu regenerieren.

2. Etappe: Am zweiten Tag standen gute 77 km an und schon vor dem Frühstück machen sich die Strapazen des Vortages bemerkbar. Jens sah beim Frühstück nicht wirklich gut aus und entschied sich dazu, vorerst im Hotel zu bleiben und ggf. später zu uns zu stoßen. Da ich die dritte Etappe gern mit Jens zusammen laufen wollte, hatte ich mir für diese Etappe wieder einen Marathon oder vielleicht auch etwas weniger (am Vortag sind es schließlich ja auch ein paar Kilometer mehr geworden 😉) vorgenommen. Daher ließ ich die Gruppe ziehen und fuhr mit Franz im WLAN-Bus zum VP1. Bedingt durch die Höhenmeter und die Länge der Strecke waren auf dieser Etappe die Abstände zwischen den VPs deutlich kürzer. Ich saß also im Bus bei Franz und guckte auf die Übersicht mit den VPs und suchte nach einer Strategie. Eigentlich wollte ich noch ein, zwei VPs aussetzen aber es juckte quasi in die Füßen. Theoretisch war es möglich am VP1 einzusteigen, die beiden folgenden (kurzen) Abschnitte zu laufen und dann immer im Wechsel an einem VP aus- und am nächsten VP wieder einzusteigen. Das würde sogar dahingehend aufgehen, dass ich auf dem letzten Abschnitt mitlaufen könnte. In Summe wären das mit ca. 40 km gut die Hälfte der Etappengesamtstrecke.
Es war windig, richtig windig, denn Sturmtief Zeynep fegte über die Äcker & Wälder der Oberlausitz. Durch die Streckenausrichtung war allen klar: bis zum Wendepunkt am Kottmar würde der Wind hauptsächlich von vorn kommen. Teilweise musste man sich schräg (auch seitlich) gegen den Wind stemmen aber alle passten auf sich auf. Wirklich kritische Stellen gab es nicht, da wir an Wäldern immer irgendwie auf der windabgewandten Seiten vorbei oder über „Waldautobahnen“ durch diese gekommen sind. Jedoch zehrte der starke Wind bei vielen Läufer:innen zusätzlich an den Energiereservern und machte diese lange Etappe nicht einfacher. Bei mir ging es einigermaßen durch die langen Pausen im Bus zwischen den Laufphasen zumal mich mein zweiter Einsatz schon zum Kottmar rauf führte und von da an kam der Wind von hinten. 😁Oben auf dem Kottmar sind wir um die Skischanze rum und dann wieder runter über die höchstgelegene Spreequelle am Westhang des Kottmars – als alter Cottbuser war ein Schluck obligatorisch! Am Quellbach stieß auch Jens wieder zu uns.
Mein dritter Abschnitt auf dieser Etappe war größtenteils abschüssig und mit dem Rückenwind ziemlich schnell und ich stand nach einer weiteren Busfahrt tatsächlich vor dem letzten Abschnitt vom Berzdorfer See zurück nach Görlitz. Der Stadtrand war schnell erreicht und es ging vorbei am Wohnhaus von Hartmuts Eltern, über seinen ehemaligen Schulweg, vorbei an der Garage seiner Eltern bis hoch zum Lokschuppen der Görlitzer Oldtimer Parkeisenbahn. Das war unser diesjähriges Spendenziel und daher haben wir dort noch ein paar Fotos geschossen bevor es vorbei am Jakob-Böhme-Denkmal durch die Parks von Görlitz zurück zum Hotel ging.

3. Etappe: Und wieder ging es frühs um siebene los – die Strategie des Vortages mit den Busfahrten zwischendrin ging auf, denn ich fühlte mich bereit für die anstehenden guten 50 km. Auf dieser Etappe erwarteten uns ein paar Höhenmeter und laut Jens auch schöne Trails und weniger schöne Harvestertracks. Jens hatte die Erkältung inzwischen voll erwischt und er musste sich schweren Herzens entscheiden, uns Läufer allein losziehen zu lassen – das war nicht einfach für ihn aber er wollte uns auf der anspruchsvollen Passage begleiten. So ging es raus aus Görlitz auf der alten Kreisbahnstrecke Richtung Königshain. Der Wind hatte deutlich nachgelassen. Es regente etwas und mit 4 °C war es nicht zu warm – die ersten beiden Abschnitte waren wieder sehr schnell. Nach Königshain „wird es schlammig“ sagte Jens und stieg mit ein. Und das wurde es auch – aber sowas von! Der Regen hatte zwar aufgehört aber zuvor ordentliche Arbeit geleistet. Es dauerte bis Kilometer 17, dann ging es in die sogenannten Kämpferberge. Hier waren unzählige Bäume umgekippt und unser Fahrrad-Guide Hartmut hatte ganz schön zu kämpfen, da immer das Fahrrad drüber oder drunter zu bekommen. Da sich das Wetter beruhigt hatte und wir auch immer den Blick nach oben hatten, konnten Gefahren durch herunterfallendes Totholz praktisch ausgeschlossen werden aber eine Tatsache hatten wir nicht auf dem Schirm: An einem Aufstieg lag direkt neben dem Weg ein Tierkadaver, den Rahal per Ast (zum Umdrehen 😉) als mittelgroßes Wildschwein identifiziert hatte. Naja, nix weiter dabei gedacht und weiter den Berg rauf, bis an uns vier Rehe vorbei liefen, halt – waren keine Rehe, waren Wölfe – WAAAAAS??? Kein Zaun dazwischen wie im Wildpark – nee, in freier Natur. Muss ich nicht haben, also ohne Zaun. Jenny meinte noch, das sei hier ja Wolfsgebiet und daher ginge sie hier auch nicht alleine laufen – OK, dann mal schön alle zusammen bleiben und keinen zurücklassen… Wir haben die Tierchen wahrscheinlich beim Fressen gestört und wohl aufgrund unserer Anzahl, Lautstärke, Ausdünstungen und der neongelben Shirts auf einen kleinen Umweg zurück zu ihrer Beute gezwungen – ich wollte schnell zum VP!
Im weiteren Verlauf hat sich Mitläufer und späterer Komplettfinisher Harald B. die größte Mühe gegeben, mir viele Läufergeschichten rund um Bären & Wölfe zu erzählen – Danke dafür, Harald! 🤪 Die Kondition war an diesem Tag richtig gut und so ging es auf die zweite Hälfte der heutigen Tour – Jens musste krankheitsbedingt aufgeben, was schade aber sehr vernünftig war – es folgten die Trails. Für mich teilweise zu anspruchsvoll, denn wenn man durch zu hohes Gras nicht so richtig sieht, wo man hintritt, kann man sich schnell verletzten. Zweimal blöde mit dem linken Fuß umgeknickt, einmal nach innen, einmal nach außen und zack: Dauerschmerz oberhalb des linken Knöchels. Mitläufer und späterer Komplettfinisher Axel riet mir noch an einem VP, mich hinzusetzen und den Fuß zu entlasten – hatte ich gemacht, hatte nur leider bei mir nicht geholfen. Auf gerader Strecke ging es, an Anstiegen im Gehtempo war es OK nur runterzu tat es weh aber die steil abschüssigen Passagen wurden von VP zu VP weniger und es zeichnete sich ab, dass ich wohl auch die dritte Etappe komplett schaffen würde – und das gibt natürlich nochmal Extraenergie…
Kurz nach 16:00 Uhr war es dann geschafft – Ultralauf 9.0: 1. Etappe komplett, 2. Etappe abschnittweise & 3. Etappe komplett – herrlich: Am Wochenende 155 km gelaufen…

So unterschiedlich die Etappen auch waren, eine Gemeinsamkeit hatten sie alle: die Verpflegungspunkte. Wie gewohnt super organisiert und immer fertig eingerichtet, wenn sich die Läufer genähert haben und immer mit dem vollen Verpflegungsprogramm. Neben warmem Tee, Kaffee, Wasser, Cola & Fruchtsäften gab es Obst, selbstgeschmierte Schnittchen, Salzgebäck, Joghurt, saure Gurken, Schokolade, warme Wienerchen, warme Kartoffeln mit Quark und sogar heiße Brühe – tiptop und sehr, sehr lecker!!!

Besten Dank an Hartmut für die Organisation an alle Helfer (Mausi, Linda, Carola, Katrin, Jesco, Stefan, Franz & Mike) & Läufer (Thomas H., Franzi, Marcus, Peter, Romy, Thomas G., Conny, Andreas, Uwe, Sandra, Axel, Harald B. Harald S., Marcus P., & Rahal) – es war so geil mit Euch und ohne Euch wäre ich keine 20 km gelaufen. Besten Dank auch an die beiden Fahrrad-Guides Thomas & Hartmut und an Jens, der trotz Erkältung die kritischen Passagen in den Königshainer Bergen übernommen hat 👌, alle drei haben einen hammermäßigen Job gemacht – im Vorfeld wie auf den Etappen. Danke an Andreas für die geilen Fotos!

Und das Hotel „Hothertor“ in Görlitz hat es auch wieder rausgerissen, insbesondere Koch Tony mit den besten indischen Gerichten seit immer!

2023 dann alle drei Etappen komplett? – Wir werden sehen…