…habe ich mal gesagt – mit folgender Begründung: Wenn der Marathon schlecht vorbereitet ist und man die vier Stunden deutlich überschreitet, dann wird die ganze Lauferei einfach nur langweilig und macht keinen Spaß mehr. Beim Triathlon ist das anders – dort wechselt man spätestens nach ein paar Stunden die Disziplin und im Dreierteam an der Treppe ist ja eigentlich auch mehr Pause als Treppengang angesagt. Warum dann einen Ultralauf???

Wenn man in und um Dresden läuferisch an der ein oder anderen Veranstaltung teilnimmt, wird man früher oder später auf Hartmut Kohn aufmerksam. Ich habe viele seiner teilweise extremen Aktionen verfolgt, seien es die vergangenen Ultraläufe, sein Alleingang auf der Treppe, oder die Mehrfachteilnahmen am Schlosstriathlon und bei der Team-Challenge, allerdings immer nur per Facebook oder Live-Tracking /-zeitnahme. Den ersten direkten Kontakt hatte ich in der Vorbereitung auf die erste Dreierseilschaft gesucht – dort hat Hartmut einfach viele Fragen beantwortet, die unserm Team bis dahin unklar waren.

Als ich dann am 16.12.2018 früh in die S-Bahn nach Pirna zum OEM-Adventslauftreff stieg, saß direkt gegenüber neben der Tür Hartmut und wedelte mir gleich mit seinem Ultralauf-7.0-Flyer vor dem Gesicht rum. Ob ich nicht mitmachen möchte, es wären auch einzelne Etappen möglich, wir laufen ruhig in der Gruppe usw. – Hartmut wie er leibt und lebt eben. Nach einigem Abwägen, welche Strecke ich wohl nehmen sollte, hatte ich mich dann zum Jahreswechsel durchgerungen, an der längsten aber dafür flachsten Etappe des Ultralaufs 7.0 teilzunehmen. Da ich 2019 noch einen Alleingang auf der Treppe probieren will, passten die ca. 73 km als Vorbereitung auch ganz gut in den Plan.

Am 03.03.2019 ging es dann früh um 05:45 Uhr aus Dresden in Richtung Bautzen los, um pünktlich zum Start am Hotel zu sein:

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Das Warm-Up mit Norman habe ich nicht ganz geschafft, es war aber noch genügend Zeit, um mich mental auf die nun gleich anstehenden ca. 73 km vorzubereiten. Ich haderte bis zum Start noch mit mir selbst, ob ich die ca. 6:30 min/km über die gesamte Strecke werde durchhalten können. Als neuer Läufer auf der dritten und letzten Etappe wurde ich aber sofort & herzlich von den gestandenen Ultraläufern, die ja schon über hundert Kilometer in den Beinen hatten, aufgenommen.

Vom Start weg ging es aus der Stadt raus ins wellige Umland – alles überhaupt kein Problem, die etwas knackigeren Anstiege wurden als „Gehberge“ deklariert und ebenso bewältigt. Kurz nach dem Stausee ging es über einen Feldweg zum ersten VP, der nach ca. 7 km erreicht wurde. Hier bin ich dann zum ersten Mal komplett in das Kohn-Universum eingetaucht – die komplette Familie und alle Betreuer standen bereit, um die Läufer rundum zu verpflegen. Tee, Wasser, Cola, Kaffee, Obst, Kuchen, Schnittchen, Schokolade – alles reichlich da. Nach ca. 10 Minuten ging es dann auch schon weiter. Die Strecke war dann im weiteren Verlauf – wie vorher schon bei GPSies.com ersichtlich – absolut flach. Es ging weiter über Feldwege, durch Wälder über Wiesen & Felder von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt. Zu den Highlights unterwegs zählten immer wieder die Betreuung an den VPs (absolut perfekt!), ein Gruppenfoto an der „Blauen Adria“ und in „Klein Moritzburg“ und das nette Miteinander innerhalb der Laufgruppe. Auch wenn sich das Feld zwischenzeitlich ziemlich auseinandergezogen hatte, so trafen doch alle fast gemeinsam an den VPs ein. Im Schnitt hatten wir soweit eine 7:20 min/km auf der Uhr mit rausgestoppten Pausen.

Der vierte VP in Uhyst am Südwestufer des Bärwalder Sees nahte – Hartmut hatte uns hierher souverän mit dem Oregon navigiert. Es gab leckere Wiener Würstchen (warm!) mit Senf & Ketchup und allem Drum und Dran:

Weiter ging es an den Bärwalder See, den ich vor Jahren schon einmal umrundet hatte. Teilweise liefen wir auf dem Radweg, teilweise auf dem Waldweg daneben. Hartmut erzählte von seinem Marathonschwimmen im Bärwalder See und wir näherten uns der Marke, ab der die restliche Distanz „nur“ noch ein Marathon war. Die Oberschenkel machten sich langsam bemerkbar – restliche Knochen: alles soweit in Ordnung.

Am 5. VP des Tages hatten wir dann Hälfte der Gesamtstrecke geschafft und es ging nun auf sandigen Kiefernwaldwegen – fast wie in Brandenburg – wieder südwärts Richtung Bautzen. Vorher gab es noch einmal Vollverpflegung mit Hühnerbrühe und – passend zur Lausitz – Pellkartoffeln mit Quark auf dem witterungsbedingt etwas zugigen Parkplatz am Nordstrand des Bärwalder Sees.

Alle folgenden VPs waren ja nun jenseits der Marathon-Marke und das machte sich nun auch jeweils beim Anlaufen deutlich bemerkbar. Die ersten Schritte wurden immer unrunder und die netten Versucher der Mitläufer mit mir zu reden, endeten immer sehr rasch – keine Puste mehr zum Sprechen! Gegen 15:00 Uhr, mit noch ca. 21 km vor der Brust, war aber klar – das Ding hier ist machbar!

Die Kräfte schwanden langsam und an den verbleibenden VPs brauchte jeder länger zur Regeneration der müden Knochen. Alle Achtung denen gegenüber, die mehr als diese eine Etappe in den Beinen hatten – ich hätte mich an ihrer Stelle zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr motivieren können. Hartmut saß am vorletzten VP im Heck eines Versorgungsfahrzeuges den Kopf auf die Hände gestützt und seine Frau meinte zu ihm: „Ihr macht Euch davon doch die Knochen kaputt!“ Er erwiderte: „Ist doch scheißegal!“ Genau, scheißegal – und weiter gings! Der Satz ist irgendwie hängen geblieben, genauso wie der vor mir laufende und immer wieder auf den Oregon schauende Hartmut.

Nach dem letzten VP ging es in der Dämmerung auf die finalen 6 km. Hartmut und ich waren die beiden letzten Läufer, die wieder auf die Strecke gingen. Er mit knappen 180 km und ich mit ca. 70 – beide im Anlauf ziemlich unrund, eher schon eckig. Es ging eine leicht befahrene Landstraße entlang (wie schon den ganzen Tag über immer schön auf der linken Seite) mit zunehmender Dunkelheit immer unangenehmer bei entgegenkommenden Autos. Aber dann war das beleuchtete Bautzen erreicht und wir wollten als Gruppe gemeinsam die letzten Kilometer absolvieren. Allerdings lagen nun verständlicherweise bei allen die Nerven blank, so dass sich das Feld etwas auseinanderzog und leichter Unmut aufkam – egal, denn alle haben sich inzwischen wieder gern, denke ich und der Jubel im Ziel am Hotel und die gemeinsamen Gruppenbilder entschädigen für so ziemlich alles.

Was bleibt hängen? Gesichter von Läufern, die an ihre Grenzen gegangen sind und diese sicher auch teilweise neu ausgelotet haben. Die Erfahrung einer TipTop-Organisation! Und: Ich hatte damals mit meiner Aussage zur Langeweile ab 4 h absolut Unrecht!

Geil wars – gerne wieder!

Sei dabei! – Čiń sobu!

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